Ratgeber zu USB-Plattenspielern
Wenn Sie - wie die meisten Gelegenheitsmusikhörer - nur extrem selten Langspielplatten hören, beispielsweise weil Sie dabei keinen Genuss empfinden, und Ihnen die Klangqualität relativ egal ist, dann können Sie beruhigt einen USB-Plattenspieler unter 100 Euro kaufen.
Ansonsten rate ich Ihnen von USB-Plattenspielern generell ab. (Stand: Ende März 2008)
Aktuell gibt es keinen einzigen vernünftig aussehenden USB-Plattenspieler unter 100 Euro der wirklich einen guten Eindruck macht. Ich BEFÜRCHTE die folgenden Mängel:
- Schlechter Tonabnehmer --> schlechter Klang
- Upgrade auf besseren Tonabnehmer nicht möglich (fixe Einheit)
- Billige Nadel --> schlechter Klang und die Platten können zerkratzt werden
- Nadeltausch nicht möglich (Nadeln sind Verbrauchsmaterial!! Machen Sie sich schon heute darüber Gedanken wo Sie einen Ersatz herbekommen!!)
- Tonarm schon ab Werk schlecht justiert, oder Justage nicht möglich.
- Zuviel oder zu wenig Druck --> schlechter Klang und die alten Platten können zerkratzt werden
- Tonarmgewicht kann nicht eingestellt werden oder Tonarmgewicht ist nicht vorhanden --> schlechter Klang und die alten Platten werden zerkratzt
- Kein Anti-Skating Abgleich möglich (Spurwinkel-Fehler führen zu Störungen der Stereo-Abbildung)
- Billige (fix eingebaute) Cinch-Signalkabel die an den Enden und beim Gehäuseausgang abbrechen können (Kabelbruch)
- Keine Ansteckmöglichkeit für bessere Cinchkabel, keine Möglichkeit zum Austausch
- Eine billige Verarbeitung an der man einfach keine Freude hat
- Zu kleines Gehäuse, oft kleiner als die Lanspielplatte selbst. Die Langspielplatte schaut auf allen Seiten heraus und verstaubt.
- Schon rein optisch nicht kompatibel mit der Heimanlage.
- Billiger Deckel, billige Scharniere. Das kann sehr schnell abbrechen.
- Ersatzteile sind nicht zu beschaffen (es werden in China eine Million Stück gefertigt und an europäische Händler verkauft, danach werden die Fertigungsmaschinen auf Toilettenradios umgerüstet, oder es kommt ein neues Modell mit eingebauter Ladestation für die elektrische Zahnbürste. Eine Ersatzteilliste oder ein Ersatzteillager gibt es nicht.)
- Billiges, leichtes Kunststoffgehäuse (sehr anfällig für Mikrofonie-Effekte, d.h. der Schall bringt das Gehäuse sehr leicht zum Schwingen, was wiederum als Tonsignal von der Nadel erfasst wird, und letztlich zum Brummen oder Pfeifen in den Lautsprechern Ihrer Musikanlage führt)
- Rumpelgeräusche durch billigen Antrieb
- Indirekter Antrieb mit Gummiband --> der Gummi geht nach ein paar Jahren kaputt, dann macht der Plattenspieler zwar Geräusche, aber er dreht sich nicht mehr. Ist Ersatz in Fernost möglich? Hat der Verkäufer Ersatzteile auf Lager? Gibt es den Verkäufer noch in zwei Jahren?
- Schlechte Entkopplung der mechanischen Komponenten vom Gehäuse (Schwingungen vom Motor und dem Laufwerk werden auf die Tonnadel übertragen und von den Lautsprechern wiedergegeben)
- Gleichlaufschwankungen wegen Einsparungen beim Plattenteller. Viele Billig-Teller sind aus PVC. Die Musik wird mit schwankender Tonhöhe wiedergegeben. (Hinweis: Beim Plattenteller ist Masse durch nichts zu ersetzen. Das Eigengewicht des Plattentellers sorgt für die nötige Massenträgheit der bewegten Teile. Netzfrequenz und Fertigungstoleranzen werden dadurch ausgeglichen. Je schwerer der Plattenteller, desto besser.)
- Schlechte Abschirmung der internen digitalen Signale (z.B. kann das eingebaute USB Modul zu Störungen führen die als Pfeifen, Ticken oder Piepen vom Lautsprecher wiedergegeben werden)
- Schlechte Abschirmung der externen digitalen Signale (Störsignale von Computer, Funkmaus, externe Festplatte, Hub, Modem und USV können durch das Plastikgehäuse mühelos eindringen)
- Billiges Beipack-Netzteil (nicht geschirmt gegen hochfrequente Funksignal-Einstreuungen von PC & Co)
- Fehlendes Netzfilter gegen Störungen im Stromnetz
- Billiger Phono-Entzerrer --> Mieser Klang (Hinweis: Vom Phonoentzerrer hängt die Klangqualität in entscheidendem Maße ab, weil er das extrem leise und zerbrechliche Tonnadelsignal nach RIAA-Spezifikationen entzerrt, und daraus ein kräftiges Line-Level-Signal macht. Profis investieren viele tausend Euro alleine in den Phonoentzerrer. Beim billigen Fernost-USB-Plattenspieler darf dieses Bauteil in der Fertigung maximal ein paar Cent kosten. Entsprechend mies kann der Klang ausfallen.)
- Billige Treiber (mögliches Szenario: Sie können nun endlich Platten digitalisieren, aber ihr Drucker funktioniert nicht mehr)
- Billige Software (mögliches Szenario: Das Zeit-Pegel-Diagramm wird schlecht oder gar nicht dargestellt, Musikanfänge sind nicht erkennbar, das Schneiden ist nicht oder nur schwer möglich. Eine weitere Bearbeitung der Musik, wie zum Beispiel Pegel anheben oder Rauschen entfernen, ist nicht möglich.)
- Der Preis ist einfach nicht angemessen. Zwar würde das selbe Gerät, wenn in Deutschland gefertigt, schlichtweg das Doppelte kosten, aber in Fernost kostet es eben nur ein paar Dollar. Eine ganze Reihe an Großhändlern, Händlern, Distributoren und Importeure verdienen sich daran eine goldene Nase.
- Kein Wiederverkaufswert --> Wenn Sie Ihren USB-Plattenspieler eines Tages gebraucht verkaufen wollen, dann bekommen Sie dafür nur mehr das was er wirklich wert ist, und zwar ein paar Euro. Im Gegensatz dazu kenne ich viele HiFi-Kollegen die sich mal vor ein paar Jahren einen gebrauchten, hochwertigen Plattenspieler von z.B. DUAL oder THORENS gekauft haben, und beim späteren Verkauf noch etwas dazuverdient haben.
Wichtig! Bei meiner Liste handelt es sich wie bereits erwähnt nur um Befürchtungen. Es ist nicht gesagt dass diese Befürchtungen gerechtfertig sind. Sie könnten auf Ihren USB-Plattenspieler oder das Modell das Sie ins Auge gefasst haben gar nicht zutreffen. Und generell halte ich USB-Plattenspieler für eine großartige und praktische Idee, sofern es sich um Qualität handelt. Ich will mit diesem Ratgeber Ihren Blick schärfen, und auf Mißstände bei Billiggeräten aufmerksam machen. Wenn mir das gelungen ist, dann bewerten Sie meinen Ratgeber bitte POSITIV. Wenn Sie ein Händler von Billiggeräten sind, dann bewerten Sie mich bitte NEGATIV. Mal sehen wie lange der Ratgeber überlebt.
Und ganz generell gebe ich Ihnen folgende Überlegung mit auf den Weg: Beim nächsten PC-Absturz oder Festplattencrash sind Ihre digitalen Aufnahmen dahin. Und wer macht schon regelmäßig ein Backup? Wenn Sie schon Ihre LPs digitalisieren, dann sollten Sie davon auch Sicherheitskopien auf DVD oder CD machen, sofern das rechtlich überhaupt möglich ist. Ich persönlich würde die Platten nicht digitalisiern, und beim Eipott die bereits am PC vorhandene Musik nutzen. Lassen Sie kein Gerät an Ihre Platten ran, das nicht einen gewissen Qualitätsstandard erfüllt. Außerdem sollten Sie Ihre alten Platten keinesfalls aus der Hand geben oder gar verkaufen. Ich kenne KEINEN der das nicht ein paar Jahre später zutiefst bedauert hat.
In diesem Sinne schließe ich den heutigen Ratgeber, und verabschiede mich mit freundlichen Grüßen, Ihr Maximilian Franz Koschuh (Inhaber von HiFi Koschuh)
Kalsdorf, den 26.März 2008
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